Am Abend des Dienstag, 26.10.2021 versammelten sich rund 70 Nachbar*innen am Rudolfplatz, Friedrichshain, um gegen die Kündigung der Wohnung einer bereits seit ca. 20 Jahren im Kiez ansässigen Familie und den von ihnen betriebenen Späti und Backshop zu protestieren.

Hierzu hatten Nachbar*innen und Freund*innen des Spätis gemeinsam mit uns als Bündnis „Wem gehört der Laskerkiez“ aufgerufen, nachdem wir vor knapp einer Woche von der Kündigung erfahren hatten. Fairerweise muss gesagt werden, dass die Familie aufgrund eines Wegzugs aus Berlin selbstständig die Wohnung am Rudolfplatz gekündigt hatte und die Hausverwaltung ihnen im Wissen um ihre Umzugspläne im Anschluss Kündigungen für ihren Backshop und ihren Späti überstellte. Die Familie äußerte uns gegenüber aber, dass die Kündigung der eigenen Wohnung für sie ein großer Fehler war und sie mit ihrer Wohnung und ihrem Gewerbe im Kiez bleiben möchten. Unglücklicherweise gab es aber bereits seit längerer Zeit, aufgrund von Lautstärke, Klagen von wenigen Nachbar*innen über die Gäste des Spätis, was die Situation nicht einfacher machte.

Für uns war klar: Ohne die Familie und ihr Gewerbe würde am Rudolfplatz nicht nur ein großes Loch entstehen – auch die vorhandenen nachbarschaftlichen Strukturen würden dadurch erheblich geschwächt, so dient doch insbesondere der Späti als ein Platz zum Austausch und Kennenlernen.

Am vergangenen Wochenende wurde an dem Späti ein Transparent aufgehängt, dass alle Nachbar*innen über die aktuelle Situation informiert. Geschrieben stand dort schlicht „Keine Kündigung. Wir wollen bleiben“.

Gemeinsam verteilten wir über 1000 Flyer in den umliegenden Straßenzügen, in denen die Situation beschrieben wurde und wir dazu aufriefen am Dienstagabend zu einem Solidaritätsfoto vor den Späti zu kommen. Darüber hinaus schrieben wir eine Mail an die entsprechende Hausverwaltung und den Eigentümer, mit der Bitte die Kündigungen zurückzunehmen. Zusätzlich wurden in und um den Späti innerhalb kürzester Zeit über 200 Unterschriften für den Erhalt gesammelt.

In Gesprächen und bei Aktionen zeigten sich zahlreiche Nachbar*innen entsetzt über die Kündigung, fragten wie sie unterstützen können oder versprachen am Dienstagabend mit dabei zu sein.

Die Aktionen zeigten schnell Wirkung: Die Familie wurde von der Hausverwaltung noch am Dienstag eingeladen, um über die aktuelle Situation zu sprechen. Auch in einem telefonischen Gespräch das mit der Hausverwaltung geführt wurde, machten sie deutlich, dass sie durchaus gewillt sind, sich um ihre Mieter*innen zu kümmern und Verantwortung zu übernehmen.

Das vorläufige Ergebnis des Gesprächs zwischen Familie und Hausverwaltung am Dienstag war dann, dass aller Voraussicht nach Späti, Backshop und Wohnung Vertragsverlängerungen bekommen bzw. die Kündigungen zurückgenommen werden – Im Gegenzug aber soll an Späti und Backshop in Zukunft ein Schild hängen, dass es verbietet sich nach 15 Uhr direkt vor dem Laden aufzuhalten und dort Alkohol zu konsumieren.

Am Dienstagabend dann kamen spontan über 70 Nachbar*innen zusammen, die lautstark und mit Schildern, Bildern und Transparenten ihre Solidarität mit der betroffenen Familie und ihrem Gewerbe bekräftigten. Auch viele Kinder aus den umliegenden Kitas und Schulen waren dabei, sprachen am Mikrofon darüber was der Späti für sie bedeutet und forderten, dass die Familie im Kiez bleiben darf. Besonders wichtig war ihnen zu betonen, dass auch ein Mitschüler in ihrer Klasse bleiben könne – dieser wäre bei einem drohenden Umzug der Familie voraussichtlich aus seinen gewohnten sozialen Strukturen und seinem freundschaftlichen Umfeld herausgerissen worden.

Insgesamt herrschte eine fast familiär, kämpferische Stimmung vor. Nachbar*innen ergriffen das Wort, tauschten sich miteinander aus und sprachen der Familie Kraft und Mut zu. Diese bedankte sich später ebenso bei allen Anwesenden und den Organisator*innen und hoffte, dass nun bald die Verträge unterschrieben werden können, damit alles sicher ist. Zwischen den Redebeiträgen wurde noch das ein oder andere von Nachbar*innen gewünschte Lied über die mitgebrachten Boxen gespielt und rund anderthalb Stunden nach Beginn war die kleine Kundgebung auch schon wieder beendet.

Zurück bleibt ein lautes, starkes und deutliches Zeichen der Nachbarschaft um den Rudolfplatz, dass hoffentlich noch lange nachklingen wird.

 

Nachbarschaften erhalten! Solidarische Kieze stärken! Gemeinsam wehren wir uns gegen Kündigungen unserer Nachbar*innen und Freunde!

Weiterer Bericht von einem anderen anwesenden Nachbarn:

https://kontrapolis.info/5329/